Liebe Männer in Beziehungskrisen,
Klischee hin oder her – ich erlebe es regelmäßig so:
Bevor ihr mit eurer Partnerin in ein Coaching oder eine Paarberatung kommt oder an einem Kurs teilnehmt (wie z.B. an meinem zur Blue-Map-Programm), hat diese oft schon reihenweise Bücher, Podcasts, YouTube-Videos oder Seminare und Vorträge zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation in der Partnerschaft, Überwindung von Beziehungsproblemen, Beziehung retten usw. durch.
Ihr dagegen landet zumeist ziemlich blank in meinen Sitzungen, was das betrifft.
Und auch, wenn ihr allein kommt, habt ihr euch mit Fragen wie den folgenden bis dahin eher weniger beschäftigt:
Wer und wie bin ich?
Warum ticke ich wie ich ticke?
Wie ist meine Partnerschaft gestrickt?
Warum sind wir an diesem Punkt gelandet und vor allem: wie geht's weiter?
Was will ich und was will ich nicht (mehr) in meinem Leben und meiner Beziehung?
In der Umsetzung seid ihr den Frauen oft und schnell einen Schritt voraus
Kein Wunder also, dass ihr anfangs eher verhalten reagiert, und spätestens wenn der Begriff 'inneres Kind' fällt (»Muss ich da mit Puppen spielen?«) oder es um die Aussöhnung mit den Eltern geht (»Vorbei ist doch vorbei«), steht euch die Skepsis ins Gesicht geschrieben.
Umso überraschter seid ihr manchmal, wenn ihr dann erkennt, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und Prägung elementar ist und sich daraus ganz neue Möglichkeiten für konkrete Schritte nach vorne ergeben. Denn darum geht es vielen von euch:
Praktikables Handwerkszeug, Probleme lösen, Handlungsoptionen entwickeln, vorankommen
Und eins muss neidlos anerkannt werden (ist ja schließlich kein Wettbewerb hier): In der Umsetzung tut ihr euch oft leichter und seid flexibler als das weibliche Geschlecht.
Während frau das Erlernte erst noch mal überdenkt, sich in Perfektion übt, die Gedanken und Gefühle dazu hin- und herwälzt, zerpflückt, manchmal auch zerredet, fangt ihr einfach an und erreicht oft schneller das Ziel, das Ihr euch gesetzt habt.
Als Coach freut mich das natürlich.
Doch zurück zur Reflexion der eigenen Vergangenheit: Warum ist diese so wichtig?
Weil der erste Schritt nach vorne den Blick nach hinten bedingt.
Wer neue Wege einschlagen möchte, muss wissen, aus welcher Richtung er kommt
Die Feststellung, dass wir dieses oder jenes – unseren Alltag, Freunde und Familie, den Job, die Gesundheit und eben auch unsere Partnerschaft – anders haben möchten, fällt uns meist leicht.
Doch wenn du nicht weißt, wie die Dinge sind und warum die Umstände sind wie sie sind ... Wie willst du dann eine Idee davon entwickeln, an welchen Schräubchen du drehen musst, um eine andere Richtung einzuschlagen?
Stell dir vor, du hast die Wände im Wohnzimmer frisch gestrichen. Mit dem Ergebnis bist du alles andere als zufrieden: Die Farbe wirkt fleckig und hat einen hässlichen Gelbstich. Du beschließt also, nachzubessern.
Die Aussage, dass dir die Wand so nicht gefällt, ist das eine.
Doch viel entscheidender ist, dass du weißt, wie sie stattdessen aussehen soll, und dass du herausfindest, wo das Problem lag: Falsche Pinsel? Alte Farbe? Untergrund nicht sorgfältig vorbereitet? Schlecht beraten im Baumarkt? Du machst dich also auf die Suche nach den Elementen, die sich als hinderlich für dein Vorhaben herausgestellt haben und suchst Alternativen.
Ein frischer Anstrich für Männer in der Beziehungskrise
Komplexer aber ähnlich ist der Ablauf, wenn du deinem Leben und deiner Beziehung einen frischen Anstrich verpassen möchtest. Nur dass du dich hier nicht mit Farbrollen und -eimern befasst, sondern u.a. mit deinen Prägungen und bisherigen Denk- und Verhaltensmustern.
Dabei kommen ganz entscheidend auch deine Glaubenssätze ins Spiel.
Glaubenssätze sind Vorstellungen und Annahmen über dich, die Welt, andere Menschen, Partnerschaft usw. Mit ihrer Entwicklung hast du ab dem Zeitpunkt deiner Zeugung begonnen. Und seitdem üben sie einen enormen Einfluss auf dich und dein Leben aus.
Wir stolpern oft jahrzehntelang unbewusst und unreflektiert durch unser Leben, geleitet von eben diesen Glaubenssätzen. Und je länger wir das tun, umso mehr festigen wir diese inneren Überzeugungen.
Die Erschaffung deiner Glaubenssätze hatte anfangs einen guten Grund: die Anpassung an äußere Strukturen. Denn schließlich sind wir in keiner Lebensphase mehr auf diese angewiesen als in der frühesten Kindheit.
Die Prägung durch deine Eltern und dein engstes Umfeld fungiert also als Leitsystem hinein in die große weite Welt.
Die zwei Seiten deiner familiären Prägung
Die Kehrseite der Medaille oder dieses Leitsystems ist, dass wir anfangs in einem Abhängigkeitsverhältnis zu genau diesem Umfeld, also in erster Linie unserer Familie stehen:
Du brauchst Nahrung, Trinken, Schlaf, Zuwendung und Anerkennung. In den ersten Lebensjahren hast du keine Wahl, wie du diese Grundbedürfnisse befriedigst. Du bist auf die Personen angewiesen, die sich um dich kümmern, in den meisten Fällen also auf deine Eltern. Was ist die Folge?
Du verhältst dich instinktiv in einer Art und Weise, von der du annimmst oder die Erfahrung machst, dass sie dir genau dabei nützlich ist – beispielsweise weil sie der Einstellung deiner Eltern entspricht, sie dieses Verhalten also gut heißen. Du eignest dir unbewusst Strategien im Denken und Handeln an, von denen du dir die Erfüllung deiner Bedürfnisse versprichst.
Ab dem Zeitpunkt deiner Zeugung wird der Grundstein dessen gelegt, was du über dich und das Leben denkst
In deiner frühesten Kindheit entstehen somit deine unbewussten inneren Überzeugungen, z.B.
über dich selbst
über Männer
über Frauen
über Liebe und Partnerschaft
darüber, was man tun und lassen sollte
darüber, was wichtig und richtig ist im Leben
darüber, wie die Welt geschaffen ist
In jungen Jahren hinterfragen wir diese Bewertungsmuster nicht.
Da sie uns so früh eingepflanzt wurden und wir sie dann über viele Jahre immer weiter gießen und düngen, sind sie uns so vertraut, dass sie selbstverständlich erscheinen und eine geradezu magnetische Wirkung auf uns ausüben.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Du hast eine Menge positiver Denk- und Handlungsmuster entwickelt, die bis heute hilfreich sind. Doch wenn es um Krisensituationen in Leben und Partnerschaften geht, spielen die negativen Glaubenssätze die zentrale Rolle. Sie sind maßgeblich an der Entstehung deiner Probleme beteiligt und blockieren dich bei deren Überwindung.
Wenn du beispielsweise die Erfahrung gemacht hast, dass Streiten schlecht ist, weil deine Mutter nach jedem Konflikt mit deinem Vater tagelang depressiv war, wirst du Auseinandersetzungen womöglich generell scheuen. Zur Lösung eines Beziehungsproblems braucht es aber den Austausch, auch wenn er mal konträr verläuft; an dieser Stelle erweist sich dein Glaubenssatz also als Bremsklotz.
Oder wenn du mit sechs Geschwistern aufgewachsen bist und oft zurückstecken musstest, wirst du vielleicht auch im Erwachsenenalter denken, deine Meinung zähle nicht viel. In der Folge unterdrückst du deine Bedürfnisse häufiger als es dir gut tut.
Wie du eine Beziehungskrise als Wachstumschance nutzt
Meistens setzen wir uns gerade in einer Lebens- oder Beziehungskrise das erste Mal ernsthaft mit der eigenen Persönlichkeit auseinander. Wir wenden uns diesem bis dahin unbekannten, wildwüchsigen Garten aus Prägungen, Mustern, Werten und Glaubenssätzen zu. Das gilt nicht für alle Menschen; manch einer hat nie das Bedürfnis, sich diesen Bereich einmal genauer anzuschauen oder ihn gar verändern zu wollen. Und das ist völlig in Ordnung.
Wenn du aber zu jenen gehörst, die an einem Punkt in ihrem Leben stehen, an dem sie spüren: »So geht's nicht weiter. Ich möchte etwas ändern!«, dann besteht ein erster wichtiger Schritt darin, deinen 'inneren Garten' genauer unter die Lupe zu nehmen, in ihm herumzukriechen, die unterschiedlichen Gewächse anzufassen, ihren Duft wahrzunehmen und an Ästen und Zweigen zu rütteln.
Du überprüfst also, welche deiner alten Muster und Prägungen nach wie vor förderlich für dein Wohlbefinden und deine Lebensqualität sind und welche dich eher blockieren und somit überdacht werden sollten.
Du räumst auf in deinem inneren Garten.
Tut mir das gut oder kann das weg? Was von meinen alten Überzeugungen passt noch zu mir? Wo kann ich neue Denk- und Handlungsmuster säen? Wie kann ich positive Gefühle einpflanzen? Was soll umgetopft werden?
Schwierige Lebensphasen bergen so eine enorme Chance, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.
Klar, das hört sich in der Situation selbst erstmal nicht prickelnd an – du willst sie einfach nur lösen, diese bedrückenden und schmerzhaften Knoten in Kopf und Herz. Doch irgendwann kommt der Tag, an dem du feststellst: es hat sich gelohnt, das Ding mit dem Garten.
Der männliche Glaubenssatz Nr. 1
Und was hat das Ganze jetzt speziell mit mir als Mann zu tun, Sandra?
Es gibt eine Handvoll Glaubenssätze, die auffällig oft bei Frauen, und solche, die immer wieder bei Männern aufploppen. Zu letzteren gehört die innere Überzeugung, keine Fehler machen zu dürfen.
Ich hatte noch keinen Mann in meinen Coachings, der nicht den Glaubenssatz »Ich darf keinen Fehler machen« in sich aufspürte.
Wenn du einmal kurz die Augen schließt und in diesen Satz reinspürst, wirst du vielleicht eine körperliche Reaktion feststellen, z.B. eine Schwere auf der Brust oder das Gefühl von Enge im Halsbereich. Wenn dem so ist, kannst du ziemlich sicher davon ausgehen, dass auch du bzw. dein inneres Kind die Überzeugung in sich trägt, keine Fehler machen zu dürfen.
Die männliche Strategie Nr. 1
Als Junge hast du nicht nur Glaubenssätze entwickelt, sondern auch die passenden Strategien dazu, um dich vor Verletzungen oder Konsequenzen in diesem Zusammenhang zu schützen.
Weinen galt in deiner Familie als Schwäche?
Du hast gelernt, Deine Tränen zu unterdrücken oder hast sie unter Schokolade und Chips vergraben.
Du wurdest von engen Bezugspersonen verlassen?
Vielleicht scheust du seitdem jede Nähe.
Dir wurde nie richtig zugehört?
Manchmal erfindest du Lügengeschichten, mit denen du Aufmerksamkeit erregst.
Eine klassisch männliche Schutzstrategie, Fehler zu vermeiden lautet 'Kontrolle'.
Warum? Weil dem, der alles unter Kontrolle hat, keine Fehler unterlaufen.
Der Super-GAU für Männer
Was geschieht nun in einer Beziehungskrise?
Zum Einen werden hier Fehler offensichtlich. Dass es sich im Grunde genommen nicht um Fehler handelt, sondern um das Aufeinanderprallen oder Auseinanderdriften zweier Partner, mag rational einleuchtend sein; hier geht es aber um die emotionalen Anteile, die in deinem tiefsten Inneren durch die Krise aufbrechen. Und der hilflose, wütende und traurige kindliche Anteil in dir, der sieht einfach nur: Feeehler! Irgendwas ist nicht richtig, also schief gelaufen – sonst gäbe es ja keine Krise.
Zum Zweiten gerät in einer unsicheren Beziehungsphase scheinbar alles außer Kontrolle: die eigenen Gefühle und Gedanken, die Situation und erst recht die Partnerin. Nichts läuft mehr rund, alles wackelt.
Hier bahnt sich also eine große Herausforderung an: Einer der sensibelsten Alarmknöpfe – der zentrale Glaubenssatz 'Ich darf keinen Fehler machen' – wird nahezu in Dauerschleife gedrückt, und gleichzeitig greift die gewohnte Strategie 'Kontrolle' nicht mehr.
Keine Verantwortung = keine Bewegung
An diesem Punkt ziehen sich einige von euch zurück, manche verfallen geradezu in eine Art Schockstarre, in der weder kommuniziert noch auf Lösungs- oder Kompromissversuche eingegangen wird geschweige denn diese selbst unternommen werden.
Aus lauter Angst, wieder einen vermeintlich falschen Schritt in die verkehrte Richtung zu unternehmen, bleibt ihr regungslos stehen.
Ich muss es mal auf den ungeschönten Punkt bringen: Ihr entzieht euch damit der Verantwortung!
Wenn jetzt ein gewisser Unmut in dir aufsteigt und du den Drang verspürst, mir gegen's Schienbein zu treten, könnte es daran liegen, dass du Verantwortung mit Schuld verwechselst. Und Schuld hat ja wieder was mit Fehlern zu tun. Und die gilt es ja gerade zu kontrollieren ... und wieder hängst du in diesem Karussell, das einen ganz schwindelig werden lässt.
Raus aus der Komfortzone und weg mit der Schutzmauer
In dem Moment, in dem du stehenbleibst und dich verschließt, gibst du etwas ganz Entscheidendes ab: die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen und das eigene Leben, die Zukunft und Deinen Anteil der Beziehung in die eigene Hand zu nehmen. Du gibst deine Macht ab.
Die mutige Alternative heißt also: Raus aus der Komfortzone, Opfermodus auf Off, Machermodus auf On schalten!
Denn der Schlüssel zu Veränderung heißt Verantwortung übernehmen.
Oft werde ich von Kunden gefragt: »Was mache ich falsch, Sandra?«
Der Fehler liegt darin, sich keine Fehler zu erlauben und diesen Glaubenssatz ein Leben lang unangetastet stehen und sich von ihm blockieren zu lassen.
Um es mit den Worten von Dietrich Bonhoeffer zu sagen:
»Der größte Fehler,
den man im Leben machen kann,
ist, immer Angst zu haben,
einen Fehler zu machen.«
Zudem sind Fehler in Wirklichkeit oft etwas ganz anderes:
Es ist kein Fehler, Fehler zu machen – es zeugt von Reife, sie zu erkennen und dafür einzustehen.
Es ist kein Fehler, Umstände oder Menschen nicht kontrollieren zu können – alles entspannt sich, wenn du vertraust.
Es ist kein Fehler, sich überfordert zu fühlen oder nicht mehr weiter zu wissen – es beweist Stärke, sich Hilfe zu suchen.
Es ist kein Fehler, sich verletzlich und schwach zu zeigen – es macht dich nahbar und echt.
Und mal so von Frau zu Mann: Schutzmauern sind echt unsexy.
💙liche Grüße aus dem Blauen Sessel
Sandra
P.S.: Mit der Blue Map überwindest du nicht nur negative Glaubenssätze, sondern bekommst eine Schritt-für-Schritt-Anleitung an die Hand, mit der du jedes Beziehungsproblem löst! ➡️ Zum Blue-Map-Programm🚀
Comments