Du kennst die Sprüche wie »Lass dein Herz dein Kompass sein« oder »Nichts ist falsch, wenn dein Herz dir sagt, dass es richtig ist«, oder?
Sie halten sich hartnäckig – auf Instagram, Postkarten, Kalendern und Frühstücksbrettchen. Und am besten sollst du dich in allen Lebensbereichen nach ihnen richten – auch und gerade in Beziehungsangelegenheiten.
Ich finde diese Phrasen blödsinnig, denn sie stimmen oft einfach nicht.
Stell dir mal Sabine vor, die seit 3 Jahren in einer unglücklichen, zermürbenden On-Off-Beziehung steckt.
Sabine wünscht sich nichts sehnlicher als eine stabile, verlässliche Partnerschaft und mehr Sicherheit. Immer wieder fragt sie sich: »Soll ich gehen oder bleiben?«
Sabines Freund (wenn man das so nennen kann) bricht regelmäßig und scheinbar aus dem Nichts heraus heftige Konflikte vom Zaun und meldet sich dann über Tage oder gar Wochen nicht bei ihr.
Für Sabine bedeuten diese Zeiten die Hölle. Doch jedes Mal meldet sich Hannes nach einer gewissen Zeit wieder und verspricht ihr, dass alles anders und besser wird. Und Sabine?
Sabine erzählt ihrer Freundin im Café: »Aber ich liebe ihn nun mal. Und mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir eine Chance haben, wenn Hannes dieses Problem in den Griff kriegt.«
18 Monate und 3 On- und Off-Phasen später steckt sie immer noch in ihrer emotionalen Abhängigkeit. Sie fühlt sich klein, hilflos und müde. Und weiß nie, was von Hannes als Nächstes kommt.
Und dann ist da Frank.
Frank hat sich vor 5 Monaten in Larissa verliebt und umgekehrt.
Larissa wohnt 340 Kilometer entfernt und hat 3 Kinder zwischen 4 und 9.
Frank hat zwar keine Kinder, dafür ein Haus mit Garten, Kater Fridolin und einen richtig guten Job. Deshalb sehen sich die beiden nur jedes zweite Wochenende.
»Bist du verrückt, das alles aufzugeben? Was ist, wenn es nicht funktioniert zwischen dir und Larissa?« Weder seine Kumpels Rolf und Peter noch Tante Gabi verstehen seine Entscheidung, den Job zu kündigen und bei Larissa einzuziehen.
Doch Frank folgt seiner Bauchstimme.
Heute haben er und Larissa ein gemeinsames Kind und Frank eine Arbeit, die ihm noch mehr Spaß macht als die vorherige. Und Kater Fridolin? Der ist bei Tante Gabi glücklich.
Sabine und Frank haben also beide auf ihr Herz gehört. Und, was sagst du zum jeweiligen Ergebnis?
Jetzt lass uns noch mal zu Sabine, Hannes und deren On-Off-Beziehung aus der ersten Geschichte zurückkommen:
Knapp 2 Jahre später sitzt Sabine wieder mit ihrer Freundin im Café. Aufrecht sitzt sie auf ihrem Stuhl, schlürft genüsslich ihren Milchkaffee und lacht über eine Geschichte, die ihr Petra erzählt.
Von Hannes hat sie sich schon lange getrennt und weiß heute, dass es nie ein Happy End mit ihm gegeben hätte. »Gut. Richtig gut« antwortet sie, als Petra sie fragt, wie es ihr geht.
Für Sabine war es wichtig, ihren Kopf einzuschalten.
Sie hat Bücher über emotionale Abhängigkeit gelesen.
Hat sich mit dem Thema Toxische Beziehung beschäftigt.
Hat sich mit ihrer Vergangenheit und einem Vater auseinandergesetzt, der selten präsent und psychisch labil war, und um dessen Aufmerksamkeit sie permanent buhlen musste.
Hat wieder Vertrauen ins Leben und sie selbst gefasst und ihre Lebensfreude reaktiviert.
Und dann endgültig den Kontakt zu Hannes abgebrochen.
Wer hat denn nun recht: Herz oder Kopf?
Also doch lieber Kopf über Bauch?
Bitte nein, auf gar keinen Fall!
Denn dann wäre doch beispielsweise Frank eine wunderbare Partnerschaft entgangen. Und überhaupt wäre das Leben und die Liebe so langweilig.
Ja, aber was denn nun?
Warum sollte man sich eigentlich entscheiden müssen?
Denn es ist doch so:
In Bauch und Herz sitzen deine Gefühle.
Alle Emotionen sind hier zuhause. Positive wie negative. Liebe, Freude, Mut, Dankbarkeit und Hoffnung ebenso wie die Angst, Scham, Druck, Zorn und Trauer.
Schöne Gefühle zu haben ist toll, darüber brauchen wir nicht weiter zu reden.
Doch auch die unangenehmen haben ihre Daseinsberechtigung: sie schützen dich vor Gefahren und Verletzungen.
Allerdings gibt es neben sinnvollen Ängste auch solche, die sich irgendwann in der Vergangenheit ungesund ausgeprägt oder verselbstständigt haben.
Dies geschieht aufgrund schmerzhafter Erfahrungen meist schon während deiner Kindheit oder Jugend (wie bei Sabine ein abwesender und depressiver Vater).
Damals haben sich negative Denk-, Glaubens- und Gefühlsmuster entwickelt, die dich heute blockieren und dir mehr schaden als nützen.
Sabine beispielsweise haben sie lange an einer leidvollen Verbindung festhalten lassen.
Bauchstimme überprüfen
»Meine innere Stimme sagt mir, dass das nicht mehr passt«, »Mein Herz kann nicht loslassen« oder »Mein Bauch weiß, dass wir zusammengehören« höre ich manchmal in meinen Coachings.
Ich behaupte nicht, dass die Bauchstimme immer falsch liegt. Doch ich empfehle, sie zu überprüfen und ihrem Ursprung auf den Grund zu gehen, bevor nächste weitreichende Schritte und Konsequenzen aus ihr abgeleitet werden.
Auch das Bauchgefühl kann sich ändern; dann nämlich, wenn neue Erfahrungen gemacht werden.
Ebenso ergeht es deinem Verstand, wenn er mit neuen Erkenntnissen gefüttert wird.
Dein Herz kann sich also täuschen.
Ebenso wie dein Kopf.
Darum solltest du beiden Instanzen und möglichen Kehrtwendungen oder Alternativen gegenüber offen bleiben.
Herz oder Kopf? Wie du beide in Einklang bringst
Warum trennen wir Bauch und Kopf so gerne?
Und warum wird dem Verstand oft der Schwarze Peter zugeschoben und dem Herz das As?
Das ist schade, denn beide haben viel Gutes zu bieten. Und am allerbesten fühlt es sich an, wenn sie im Einklang sind.
Doch wie schaffst du das?
Der erste Schritt besteht darin, dich deinen unterschiedlichen Anteilen in Kopf und Herz überhaupt erst mal zuzuwenden und sie kennenzulernen:
Wie sind sowohl deine Gedanken als auch deine Gefühle beschaffen, wie sind sie entstanden, was wollen sie, und wovor haben sie Angst?
Austausch zwischen Herz und Kopf
Als nächstes bringst du beide Stimmen in einen Dialog miteinander. Dafür kannst du dich des folgenden Tricks bedienen:
Schnapp dir zwei Steine oder ähnliches und leg einen in jede Hand. Ein Stein symbolisiert dein Herz, der andere deinen Verstand.
Und nun lass die beiden miteinander ins Gespräch kommen. Ja, ich weiß, erst mal kommst du dir vielleicht ein bisschen albern dabei vor. Macht nix – es sieht dich ja niemand.
Wenn du dich auf diese kleine Übung einlässt, wirst du überrascht sein, wie diskussionsfreudig die beiden sind und welch wertvolle Impulse du aus dieser Kommunikation für dich herausziehen kannst.
Achte auf die jeweiligen Argumente und tue so, als wärst du der neutrale Streitschlichter oder ein Vermittler zwischen deiner Kopf- und Deiner Bauchstimme – so lange, bis Verstand und Herz im besten Fall auf einen gemeinsamen Nenner gekommen sind und du daraus einen Weg oder eine Entscheidung ableiten kannst, die sich für den Moment stimmig anfühlen.
Nur für den Moment?
Nur für den Moment, ja. Denn die wenigsten Schritte sind in Stein gemeißelt. Du darfst dich jeden Tag für eine neue Richtung entscheiden.
💙liche Grüße aus dem Blauen Sessel
Sandra
P.S.: Deine Kopf- und Herzstimme sind sich nicht einig, ob du besser gehen oder bleiben sollst? Dann kommt hier eine Entscheidungshilfe, die dir in 1 Stunde mehr Klarheit bringt als jede Pro- und Contraliste: ➡️Zur 60-Minuten-Entscheidungshilfe💡
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